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Neuropsychologische Erklärungsansätze


 

Nach Warnke und Roth (2000), bestimmen momentan zwei neuropsychologische Erklärungsansätze die Wissenschaft. Die Erklärungsversuche einer Funktionsstörung bei der sprachlichen und visuellen Informationsverarbeitung sind gegenwärtig dominierend (vgl. Warnke & Roth 2000: 463).

 

Annahme gestörter sprachlicher Informationsverarbeitung

 

Der Einfluss sprachlicher Informationsverarbeitungsprozesse für das Erlernen der Schriftsprache hat sich in den letzten 20 Jahren der Schriftsprachforschung differenzierter herauskristallisiert. Laut Warnke und Roth (2000), schaffen Stadienmodelle hierfür die Grundlage. Diese Modelle stellen Informationsverarbeitungstheorien des Lese-Rechtschreibprozesses dar. Im logographischen Stadium versuchen Kinder die Wörter noch an visuellen Merkmalen zu erkennen. In dem nachfolgenden alphabetischen Stadium bedienen sich dann die Kinder der Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln: Die Schulkinder machen von ihrem erlernten Wissen über die Beziehungen zwischen Buchstabenzeichen und Laut Gebrauch. Buchstabe für Buchstabe wird zusammengesetzt und ergibt schließlich ein Wort. Das orthographische Stadium ermöglicht das Wiedererkennen im Gedächtnis gespeicherter Buchstabenfolgen eines Wortes. Das Abrufen schon angeeigneter Wörter befähigt zum schnellen Lesen (vgl. Warnke & Roth 2000: 463; vgl. Warnke et al. 2002: 33; Herv. d. d. Verf.).

Die Stadienmodelle betonen die Bedeutung der lautsprachlichen Informationsverarbeitung beim Erlernen des Lesens- und Rechtschreibens. Möglicherweise vermischen sich die Etappen von Anfang an. Letzten Endes sind die Fähigkeiten der einzelnen Stadien beim Lesen und Rechtschreiben erforderlich. Fehlen diese Fertigkeiten, ist folgendermaßen mit Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben zu rechnen (vgl. ebd.).

 

Warnke (1996) führt auf, dass 30 bis 70 Prozent der Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung sprachliche Entwicklungsauffälligkeiten aufweisen. Dieser Befund sowie die neurobiologischen Erklärungsansätze stützen die Behauptung einer Dysfunktion sprachlicher Informationsverarbeitung (vgl. Warnke 1996: 33).

Legasthene Schulkinder zeigen folgende Besonderheiten in der sprachlichen Informationsverarbeitung, welche meistens bis ins Erwachsenenalter hinein bestehen bleiben:

 

·         sprachlich abhängige Intelligenztestwerte sind meist niedriger als sprachfrei gemessene Werte, aber es gibt ebenso gegensätzliche Sachverhalte,

·         Beeinträchtigung der Wortschatzentwicklung,

·         Wortfindungsstörungen kommen häufiger vor,

·         syntaktische und grammatische Unterschiede zwischen Sätzen und Worten sind weniger erkennbar,

·         Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis für den Bereich Sprache ist beeinträchtigt,

·         Schwierigkeiten beim Unterscheiden phonematischer Laute,

·         Benenngeschwindigkeit von Objekten, Buchstaben, Worten, Zahlen oder Farben ist fehlerhaft oder verlangsamt,

·         bei der Wortidentifizierung werden Satzzusammenhänge weniger genutzt,

·         Unterscheidung von visuellen Buchstabenfolgen wird durch die Wortähnlichkeit beeinträchtigt und

·         regelhaft sind Störungen in der phonologischen Bewusstheit (vgl. Beckenbach 2000: 138; vgl. Warnke 1996: 33 f.; vgl. Warnke et al. 2002: 33).

 

Gemäß Warnke (1996), werden Störungen in der phonologischen Bewusstheit derzeitig als besonders wichtig angesehen (vgl. Warnke 1996: 34). Generell wird als phonologische Informationsverarbeitung die Verwertung der Botschaften über die Lautstruktur beim Auseinandersetzen mit der geschriebenen oder gesprochenen Sprache bezeichnet. Phonologische Informationsverarbeitung vereinigt drei Komponenten: „die phonologische Bewusstheit, das phonologische Rekodieren beim Zugriff auf das semantische Gedächtnis und das phonetische Rekodieren im Arbeitsgedächtnis.“ (Warnke & Roth 2000: 463). Mit der Bezeichnung phonologische Bewusstheit ist die Fähigkeit gemeint, Laute, Silben, Worte oder Reime festzustellen und mit diesen zu arbeiten. Warnke und Roth (2000) erwähnen Skowronek und Marx (1989), diese differenzieren die phonologische Bewusstheit in eine engere und eine weitere Sinnbedeutung. Diese wird in der nachkommenden Tabelle zwei ersichtlich. Die phonologische Bewusstheit bezieht sich im weiteren Sinne auf das Erkennen größerer Spracheinheiten, wie beispielsweise Silben, Wörter oder Reime. Demgegenüber beeinflusst sie im engeren Sinne die kleinsten lautsprachlichen Einheiten, die Phoneme. Die Phonologische Bewusstheit ist bei Schulkindern mit einer Lese-Rechtschreibstörung ungenügend entwickelt. Zum Beispiel hören die Betroffenen größtenteils nicht die Einzellaute in einem Wort. Ihnen gelingt auch kaum das Zusammenfügen der einzelnen Laute zu einem ganzen Wort (vgl. ebd.). Weitere Aufgabenschwierigkeiten, mit denen die legasthenen Kinder im Vorschulalter beziehungsweise im ersten Schuljahr konfrontiert werden, lassen sich aus der Tabelle zwei von Warnke und Roth (2000) entnehmen:

 

Phonologische Bewusstheit im   weiteren Sinne


Silbentrennen

Wie   klatscht man bei dem Wort „Kindergarten“?

Silbenzählen

Wie   oft kann man zu dem Wort „Limonade“                     klatschen?

Reime   erkennen

Reimen   sich „Maus“ und „Haus“?

Reime   produzieren

Was   hört sich an/ klingt wie „Brot“?

Lautkategorisierung

Welches   Wort klingt am Ende anders als die                anderen:   „Saum-Baum-Laut-Raum“?

Phonologische Bewusstheit im engeren   Sinne


Phonemsynthese

Was   bedeutet /ei/ /s/? Rate!

Phonemanalyse

Welche   Laute hört man in dem Wort „Uhr“?

Phoneme   zählen

In   welchem Wort hört man mehr Laute: „Brille“ oder „Sonne“?

Anlauterkennung

Welchen   Laut hört man am Anfang von „Mond“?

Wortrest   benennen

Was   bleibt übrig, wenn man den Anfangslaut „Wal“ weglässt?

Phonemersetzung

Ersetze   /a/ durch /i/ in „Wand“!

Phonemvertauschung

Vertausche   die ersten beiden Laute in „Löwe“! –           „Ölwe“

Tabelle 02: Aufgaben zur Erfassung der phonologischen Bewusstheit (Warnke & Roth 2000: 463 f.).

 

Das phonologische Rekodieren mit Hilfe des semantischen Gedächtnisses meint das Übertragen schriftlicher Symbole, zum Beispiel geschriebener Wörter, in eine lautsprachliche Struktur, um aus dem Langzeitgedächtnis darauf deren Bedeutung abzurufen. Laut Warnke und Roth (2000), greifen legasthene Kinder, im Vergleich zu durchschnittlichen Rechtschreibern und Lesern, langsamer auf ihr semantisches Gedächtnis zu. Sollen in Aufgaben Zahlen, Wörter oder Gegenstände schnellstmöglich betitelt werden, so ist die Benenngeschwindigkeit dieser Kinder ebenso deutlich verlangsamt (vgl. a.a.O.: 464).

Das phonetische Rekodieren im Arbeitsgedächtnis drückt aus, dass im Kurzzeitgedächtnis schriftliche Symbole lautsprachlich repräsentiert sind. Erst einmal erfasst das Kind ein Wort Buchstabe für Buchstabe und verbindet anschließend im Gedächtnis die Buchstabenfolge zu einem kompletten Wort (vgl. ebd.; Herv. d. d. Verf.).

 

Annahme gestörter visueller Informationsverarbeitung

 

Neben der Hypothese einer gestörten sprachlichen Verarbeitung der Information, wird auch eine Verarbeitungsstörung visuell vorgegebener Hinweise für die Entwicklung einer Lese-Rechtschreibstörung verantwortlich gemacht. Warnke (1996) begründet die Annahme dadurch, dass etwa fünf bis zehn Prozent legasthener Kinder visuell-räumliche Wahrnehmungsschwierigkeiten aufzeigen. Wobei Fehler sowohl bei der Kodierung, als auch bei der Prüfung visueller Mitteilungen in Frage kommen. Warnke (1996) führt ebenso auf, dass dieser Erklärungsansatz einer gestörten visuellen Informationsverarbeitung mehrfach angezweifelt wird. Schließlich ist es auch denkbar, dass nicht nur visuelle sondern auch sprachliche Eigentümlichkeiten der zerebralen Informationsverarbeitung entscheidend für das Entstehen von Lese-Recht-schreibschwierigkeiten sind. Bedeutend ist außerdem das Übertragen von visuellen Botschaften in sprachliche, wie auch umgekehrt. Hinweise deuten an, dass die sprachabhängigen Mängel längsschnittlich wichtiger erscheinen als visuelle Informationsverarbeitungsfehler (vgl. Beckenbach 2000: 140; vgl. Warnke 1996: 34; vgl. Warnke & Roth 2000: 465). Obwohl die Hypothese einer Dysfunktion visueller Informationsverarbeitung wiederholt in Frage gestellt wird, weisen offensichtlich doch einige legasthene Kinder Defizite bei der visuellen Verarbeitung von Informationen auf. Es scheint visuelle Lesefehler zu geben, welche „auf Maskierungseffekten aufgrund von Einschränkungen des beidäugigen Sehens, der Augen-Folgebewegungen (Blicksprünge) oder des ikonischen Gedächtnisspeichers beruhen“ (Beckenbach 2000: 140 f.). Die meisten Verlesungen entstehen aber aus Übersetzungsfehlern von visuellen in sprachliche Informationen (vgl. ebd.).

 

Schulkinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung zeigen, nach Beckenbach (2000), folgende Merkmale der visuell-räumlichen Verarbeitung von Informationen:

 

·         sprachfrei gemessene Intelligenztestwerte sind meist niedriger als sprachlich abhängige Werte,

·         gestörte Blickbewegungen beim Aufnehmen sequentieller visueller Botschaften,

·         schnelle visuelle Aufnahme der Information ist beeinträchtigt,

·         Entwicklung der visuomotorisch-koordinativen, zeichnerischen Geschicklichkeit, beispielsweise das Wiedergeben von Mengen, Bögen oder Winkeln, ist beeinträchtigt,

·         eingeschränkte visuelle Merkfähigkeit,

·         Bewusstsein für räumliche Lageunterschiede bei Bildern oder Zeichen ist erschwert,

·         Raumlage sowie Größenverhältnisse von Gegenständen werden mehrfach fehlerhaft wiedergegeben,

·         Unterscheidung gestaltähnlicher, dagegen akustisch unverwechselbarer Buchstabenfolgen ist erschwert, zum Beispiel ral/ tai, tel/ fet,

·         Richtung und Abfolge visueller Buchstabenfolgen wird wiederholt falsch reproduziert, zum Beispiel tor/ rot (vgl. Beckenbach 2000: 141).

 

Bei der derzeitigen Überlegenheit der beiden aufgeführten Hypothesen muss generell davon ausgegangen werden, dass es keinesfalls bloß eine einzige Form der Lese-Rechtschreibstörung mit einer eindeutigen Ursache und Symptomatik gibt. Es existieren Lese-Rechtschreibstörungen mit ungleicher Ausprägung und Ätiologie. Den einzelnen Subgruppen können verschiedene Ursachenfaktoren zugrunde liegen (vgl. Warnke & Roth 2000: 465).

 

Weitläufigere neuropsychologische Erklärungsansätze

 

Neben den vorher beschriebenen führenden Erklärungsansätzen, bestehen weitläufigere Hypothesen zur Pathogenese der Lese-Rechtschreibstörung. Die meisten dieser Annahmen konnten bisher noch nicht endgültig bestätigt werden (vgl. ebd.).

Gemäß Warnke und Roth (2000), bringen Autopsieberichte eine abweichende strukturelle zerebrale Entwicklung zur Sprache. Diese Befunde zeigen undenkbare Symmetrieverhältnisse in Hirnregionen, die für das Lesen und Rechtschreiben bedeutsam sind. Zusätzlich werden histologisch nachgewiesene strukturelle Umgestaltungen festgestellt, beispielsweise Gefäßabnormitäten oder abweichende Zellstrukturen der Hirnrinde. Diskrepante Ergebnisse mittels bildgebender Verfahren erlauben vorläufig noch kein definitives Gutachten dieser anatomischen Zusammenhänge. Unstimmigkeiten in der Entstehung der Hirnhälftendominanz offenbaren ebenfalls gegensätzliche Untersuchungsergebnisse. Dasselbe gilt auch für die regelwidrige Aufteilung schriftsprachlicher Informationsverarbeitungsprozesse auf der linken und rechten Gehirnhälfte. Eine Störung des Informationsflusses innerhalb der Hemisphären oder zwischen diesen wird dadurch glaubhaft gemacht, dass Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung Schwierigkeiten bei der angemessenen schriftsprachlichen Verknüpfung akustischer und visueller Botschaften haben (vgl. ebd.).

Eine beeinträchtigte Sehfunktion kann, nach Warnke und Roth (2000), ebenso eine Legasthenie erwirken. Diese Hypothese ist allerdings bisher nicht gesichert. Nach wie vor werden zum Beispiel Bewegungsstörungen der Augen aufgrund einer Kontraktion der Augenmuskeln und Sehstörungen untersucht. Darüber hinaus werden Abweichungen des Auges entsprechend der Brechkraft und der Abmessung, welche nicht durch Akkomodation bedingt sind, diskutiert (vgl. ebd.).[1]

Eine weitere Hypothese bilden, nach Warnke und Roth (2000), die Unstimmigkeiten der selektiven Aufmerksamkeit. Unzählige legasthene Kinder scheinen sich im Unterricht nicht konzentrieren zu können. Im Entwicklungsgang des Lesens und Rechtschreibens bedeutet selektive Aufmerksamkeit die Befähigung, aus dem komplexen Gefüge von Reizen, in einer fehlerfreien zeitlichen Abfolge auf einen bedeutsamen Reiz richtig zu reagieren, um auf diese Weise das Wort zu erlesen. Bei einigen Schulkindern mit einer Lese-Rechtschreibstörung sind sequentielle Reizverarbeitungsfehler nachweisbar. Beim Rechtschreiben scheitern diese Kinder zum Beispiel daran, die Lautzeichen in eine fehlerfreie Schriftzeichenfolge zu transformieren (vgl. ebd. f.).

Des Weiteren treten Funktionsstörungen des Gedächtnisses als Wortfindungsstörungen und ungünstige Gedächtnisstrategien auf. Eine hinderliche Strategie bei legasthenen Kindern kann beispielsweise ein zu geringer Zeitaufwand für das Erlernen schriftsprachlicher Informationen oder eine unzureichende Wiederholungsstrategie sein. Diese Art von Störungen lassen sich therapeutisch kaum beeinflussen (vgl. a.a.O.: 466).

Die neuropsychologischen Befunde sprechen zusammenfassend für die Hypothese, dass eine Lese-Rechtschreibstörung in verschiedenen genetisch und nicht genetisch bedingten Dispositionen fundiert sein kann. Darüber hinaus spielt die komplexe Fülle von Besonderheiten der Informationsverarbeitung eine Rolle bei der Offenbarung der schriftsprachlichen Beeinträchtigung. Diese Defizite können verbale, visuelle, zeitliche und sequentielle Funktionen schriftsprachlicher Informationsverarbeitung anbelangen. Zur Erklärung der Lese-Rechtschreibstörung wichtige Korrelate, wie etwa eine verlangsamte visuelle Verarbeitung der Informationen, können möglicherweise in höheren Altersklassen nicht mehr als verlustbringend belegt werden. Die Lese-Recht-schreibprozesse und der Erwerb der Schriftsprache unterliegen einer unterschiedlichen Komponentenentwicklung. Dabei sind zahlreiche Funktionen eingegliedert. Warnke (1996) vermutet, dass die Lese-Rechtschreibstörung in Störungen dieser einzelnen beziehungsweise kombinierten Komponenten gründet und führt dadurch zu einer charakteristischen Einordnung als eine Entwicklungs- oder Teilleistungsstörung. Bildungen von Subgruppen sind ein Versuch die verschiedenen Symptome klassifikatorisch aufzuteilen, um den verschiedenen Erklärungsansätzen gerecht zu werden (vgl. Warnke 1996: 36; vgl. Warnke & Roth 2000: 466).

 

Soziale Erklärungsansätze

 

Der gesellschaftliche Familienhintergrund lenkt auf vielfältige Weise die Entwicklung von Kindern im Lesen und Rechtschreiben. Klicpera et al. (2007) sind der Auffassung, dass die sozioökonomischen Familienverhältnisse als der wichtigste soziale Einflussfaktor auf das Erlernen des Lesens und Rechtschreibens gelten. Ein niedriger sozioökonomischer Status beeinträchtigt demnach sowohl die Lese- und Rechtschreibentwicklung als auch die kognitive Entwicklung der betroffenen Kinder. Die Interaktion zwischen den Familienmitgliedern und die wirklichen Lebensbedingungen des Kindes sind, laut Klicpera et al. (2007), aber bedeutungsvoller als das Einkommen sowie die gesellschaftliche Stellung der Eltern. Nach Klicpera et al. (2007), wurde bei Schulkindern eine Beziehung zwischen der Existenz eines ruhigen Arbeitsplatzes, der Störungshäufigkeit während der Hausaufgabensituation und ihren Lese- und Rechtschreibleistungen diagnostiziert. Können Kinder ihre Hausaufgaben an keinem ruhigen und regelmäßigen Arbeitsplatz erledigen, so wirkt sich das negativ auf ihre schulischen Leistungen aus. Beachtlich sind hier außerdem die Geschwisterposition sowie die Größe einer Familie. Entsprechend Klicpera et al. (2007), ergibt sich eine negative widerspruchsfreie Korrelation zwischen der Geschwisteranzahl und der Lese-Recht-schreibfähigkeit. Diese Beziehung wird bei Familien mit mehr als drei Kindern deutlich. In der Geschwisterreihe später geborene Kinder erhalten häufiger Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben. Generell leisten Mütter den größeren Teil der Erziehungsarbeit. Somit helfen sie ihren Kindern auch bei den Hausaufgaben. Demzufolge übt die Schulbildung der Mutter Einfluss auf den Lese-Rechtschreibprozess ihres Kindes aus. Eine Mutter mit einer höheren Bildung kann ihr Kind wahrscheinlich besser kognitiv fördern. Darüber hinaus werden von dieser Mutter eine höhere Reflexionsfähigkeit und ein anspruchsvollerer sprachlicher Ausdruck erwartet. Beides sollte sich fortschrittlich auf die kognitiven Fähigkeiten des Kindes auswirken. Diese Annahme wird, laut Klicpera et al. (2007), bislang größtenteils bestätigt (vgl. Klicpera et al. 2007: 184 ff.).

Der Fernsehkonsum der Kinder hat sich als ein weiterer beachtlicher sozialer Einflussfaktor herausgestellt. Nach Klicpera et al. (2007), vergrößert sich die Gefahr einer Lese-Rechtschreibstörung, wenn Kinder viel Zeit vor dem Fernseher verbringen und wenig lesen. Negative Auswirkungen auf die Lese- und Rechtschreibleistungen entstehen allerdings erst mit Erreichen einer kritischen Grenze. Sitzen die Kinder länger als drei Stunden vor dem Fernseher, dann fallen ihre Leseleistungen deutlich ab. Die Zeit zum Lesen ist sehr wichtig für die schulische Entwicklung der Kinder und diese fehlt ihnen, wenn sie zu viel fernsehen. Bereits täglich zehn Minuten Lesen führt zu einer deutlichen Verbesserung in der Leseentwicklung (vgl. a.a.O.: 189 f.).

 


 

[1] Akkomodation: Fähigkeit des Auges verschiedene Gegenstandsweiten auszugleichen (vgl. Bertelsmann Lexikothek 1994 L: 113).